Brennstoffrisiken angehen und resiliente Fernwärmesysteme aufbauen

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Auch wenn sich der Energiemarkt aktuell zu stabilisieren scheint, sind Brennstoffe für führende Fernwärmeversorger keine sichere Bank mehr. Wie kann es Fernwärmeunternehmen angesichts der bestehenden Unsicherheiten gelingen, sich für die Zukunft resilient aufzustellen und gleichzeitig kosten- und energieeffizient zu bleiben?

Die vergangenen Jahre waren für die europäische Fernwärmebranche durch zunehmende Unsicherheit und größere Risiken bei Brennstoffen geprägt. Der russische Überfall auf die Ukraine im Jahr 2022 hatte eine beispiellose Energiekrise zur Folge. Sicherheitsbedenken und die Gefährdung der Lieferung durch Vorlieferanten bei wichtigen Energieträgern wie Erdgas und Biomasse führten nicht nur zu Preissteigerungen, sondern auch zu bislang ungekannten Preisvolatilitäten auf den Energiemärkten.

Auch wenn sich der Energiemarkt aktuell zu stabilisieren scheint, sind Brennstoffe für führende Fernwärmeversorger keine sichere Bank mehr.

Wie kann es Fernwärmeunternehmen angesichts dieser fundamentalen Unsicherheiten gelingen, sich für die Zukunft resilient aufzustellen und gleichzeitig einen kosten- und energieeffizienten Betrieb zu gewährleisten?

In diesem Artikel stellen wir zwei Best Practices vor, die führende Fernwärmeversorger implementieren, um Resilienz aufzubauen und Preisstabilität für ihre Kunden zu erreichen.

Best Practice 1: Entwicklung einer Multi-Fuel-Strategie

Zwar bietet gerade der Fernwärmebereich die einzigartige Möglichkeit, auf mehrere Wärmeerzeuger zu setzen, doch waren viele Unternehmen in Europa in dieser Hinsicht bislang zurückhaltend. Die aktuelle Volatilität auf dem Brennstoffmarkt führt jedoch bei vielen zu einem Umdenken.

Branchenführer konzentrieren sich vorrangig auf eine Diversifizierung der Brennstoffe und die Nutzung alternativer Wärmeerzeuger. Angesichts der aktuellen Unsicherheiten im Hinblick auf die Lieferung durch Vorlieferanten und die Preisgestaltung ist es riskant, nur auf einen einzigen Brennstoff zu setzen. Unternehmen, die verschiedene Brennstoffe verwenden, erlangen mehr Kontrolle und können ihren Kunden Preisstabilität bieten.

E.ON Danmark baut Multi-Fuel-Kapazität auf

Das Fernwärmeunternehmen E.ON Danmark ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich durch eine Diversifizierung der Wärmeerzeuger eine höhere Flexibilität und Resilienz gegenüber schwankenden Energiepreisen erreichen lässt. 2022 schnellten die Kosten für Erdgas dramatisch in die Höhe. Dies nahm der Fernwärmeversorger zum Anlass, die Umstellung auf erneuerbare Wärmequellen zu beschleunigen.

Im Rahmen seiner Transformation sowie Multi-Fuel-Strategie  führte E.ON Danmarkmehrere bislang getrennte Fernwärmenetze zusammen und kann nunmehr seinen Kunden einheitlichen Wärmepreis anbieten. Bis 2024 will das Unternehmen seine Abhängigkeit von Gas bei der Erzeugung von Fernwärme von 31 auf 14 Prozent reduzieren und gleichzeitig den Einsatz von Wärmepumpen von 1 auf 16 Prozent erhöhen.

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Wir möchten auf verschiedene Energiepreisszenarien möglichst gut vorbereitet sein. Deshalb setzen wir auf ein diverses Portfolio“, so Bjørk Paamand Olsen, Head of Heat bei E.ON Danmark.

Best Practice 2: Reduzierung der Abhängigkeit von Brennstoffen

Im Rahmen der im EU-Gesetzespaket „Fit for 55“ verankerten Klimaziele verstärkt sich der Druck auf die CO2-Preise weiter, was sich in höheren Ausgaben für die Fernwärmeversorger niederschlägt. In einem von Gradyent in Kooperation mit Euroheat & Power veröffentlichten Whitepaper wird geschätzt, dass die Branche bei CO2-Kosten über 100 Euro/Tonne mit Mehrkosten von 40 Milliarden Euro rechnen muss. Dieses Preisniveau wurde im Februar 2023 erreicht. Somit wird der Druck auf die CO2-Preise bestehen bleiben.

Innovative Fernwärmeunternehmen sprechen sich deshalb für Systeme aus, die von Brennstoffen völlig unabhängig sind. In Hinblick auf zukünftige Unsicherheiten bei der Lieferung durch Vorlieferanten und Umweltbelastungen im Zusammenhang mit Biomasse setzen sie auf brennstofffreie Wärmeerzeuger wie elektrische Heizkessel, Geothermie, Abwärme und Wärmepumpen.

Forsyning Danmark kombiniert Wärmespeicher mit brennstofffreien Technologien

Das Fernwärmesystem von Forsyning Danmark, einem neuen dänischen Fernwärmeversorger, besteht aus Solarthermieanlagen, Dampfturbinen und einem Hochtemperaturspeicher. Durch die intelligente Kombination unterschiedlicher Technologien kann das Unternehmen seinen Kunden saubere Wärme bei geringerem Risiko anbieten, als es mit separaten Wärmepumpen möglich wäre.

Die Verbraucher wollen ihre Gasboiler loswerden und an ein Fernwärmenetz angeschlossen werden, weil das Gas so teuer geworden ist. Allerdings fordern sie eine Diversifizierung der Technologien bei der Fernwärmeerzeugung. Denn sie wissen, dass ihnen eine ähnliche Preissteigerung drohen könnte, wenn man sich beispielsweise nur auf eine Wärmepumpe verlässt“, so Lars van Hauen, CEO bei Forsyning Danmark.

Resilienz für die Zukunft aufbauen

Ein zunehmender Druck zur Dekarbonisierung und eine verstärkte Preisvolatilität auf dem Brennstoffmarkt sind unausweichlich und zwingen die Fernwärmeversorger dazu, sich den mit diesen Unsicherheitsfaktoren einhergehenden Herausforderungen zu stellen.

Führende Fernwärmeunternehmen müssen heute damit beginnen, für die Zukunft zu planen, indem sie Alternativen prüfen und Wege finden, Risiken zu mindern und die Abhängigkeit von Brennstoffen zu reduzieren. Daneben gibt es jedoch noch viele weitere Herausforderungen, die Fernwärmeversorger aktuell angehen müssen.

Sie möchten wissen, wie sich Branchenführer auf andere bekannte Zukunftsszenarien vorbereiten – die zunehmende Bedeutung von Strom zur Wärmeerzeugung oder die wachsende Komplexität in Fernwärmesystemen zum Beispiel?

Dann lesen Sie unseren Marktforschungsbericht mit praktischen Tipps und konkreten Fallbeispielen, die wir in Befragungen mit 17 nordischen Fernwärmeunternehmen für Sie gesammelt haben.

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