Zwei Möglichkeiten, um die Komplexität in modernen Fernwärmesystemen zu managen: Teil 2
In diesem Artikel beleuchten wir zwei Best Practices, mit denen führende nordische Fernwärmeunternehmen der zunehmenden Komplexität von Fernwärmesystemen begegnen: das Anstreben einer vollständigen Automatisierung und die Vorbereitung von Daten für Predictive Maintenance.
Fernwärmeunternehmen stehen heute vor mehreren Herausforderungen. Diese reichen von der Volatilität der Brennstoffpreise bis hin zum beschleunigten Übergang zu erneuerbaren Energiequellen, die im gesamten Fernwärmenetz verteilt sind.
In Teil 1 dieser Reihe zum Umgang mit der zunehmenden Komplexität von Fernwärmesystemen wurde aufgezeigt, wie sich Unternehmen auf die neue Marktsituation einstellen können: Sie können ihr System besser verstehen und digitale Technologien nutzen, um aus den erfassten Daten einen Mehrwert zu ziehen.
Nachfolgend stellen wir zwei weitere Best Practices vor, die Unternehmen einsetzen können, um die Systemkomplexität zu managen. Sie entsprechen den Vorgehensweisen der führenden nordischen Fernwärmeunternehmen.
Best Practice 3: Anstreben einer vollständigen Automatisierung und eines „Autopilots“
Fernwärmesysteme werden immer komplexer. Folglich wird es immer schwieriger, alle Systeme und Funktionen in Echtzeit zu einem Gesamtbild zusammenzufügen. Aus diesem Grund suchen Fernwärmeunternehmen nach Möglichkeiten, die Komplexität durch Automatisierung zu bewältigen. Einige Unternehmen haben sogar eine Zukunftsvision von Energiesystemen, die im „Autopilot-Modus“ laufen und deren Systemverhalten mithilfe einer intelligenten digitalen Steuerung von Personal im Leitstand überwacht wird.
Unternehmen benötigen neuartige Optimierungssysteme, mit denen die Erzeuger und das Fernwärmenetz auf integrierte Weise analysiert werden. Dies bedeutet eine Abkehr von herkömmlichen Datenanalysetools, die das Fernwärmenetz und seine Prozesse oftmals zu vereinfacht abbilden. Bei solchen Tools werden Aspekte wie Wärmeausbreitung, Hydraulik, Energieerzeuger, Speicherung und Verbraucher nicht berücksichtigt. Mit derart begrenzten Daten ist es nahezu unmöglich, fundierte Entscheidungen zu treffen.
Fernwärmeunternehmen, die eine Automatisierung anstreben, benötigen eine digitale Lösung, die die idealen Betriebssollwerte in Echtzeit berechnen kann. Heutzutage wird die Produktion oft für den Folgetag (auf „Day-ahead-Basis“) optimiert. Außerdem werden Systemparameter, z. B. Vorlauftemperaturen, mithilfe statischer Temperaturkurven verwaltet.
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Um die Vorteile der Systemflexibilität jedoch bestmöglich nutzen zu können, muss die Lösung Prognosen auf granularer Ebene erstellen und das Gesamtsystem entsprechend optimieren. Dabei kommen dynamische statt statischer Sollwerte zum Einsatz, und Systembeschränkungen im Hinblick auf Temperaturen und Produktionsplan werden berücksichtigt.
„[...] Wir haben im letzten Jahr 6,3 Mrd. Datenpunkte erfasst und sind nun in der Lage, alle Fernwärmenetze von einem Kontrollraum aus zu steuern. Um einen größeren Nutzen aus den Daten zu ziehen, brauchen wir einen höheren Automatisierungsgrad, vielleicht sogar einen ,Autopilot-Modus‘. Damit wir Brennstoffpreise, Wettervorhersagen, Vor- und Rücklauftemperatur, die Steuerung von Speichern und Stromerzeugung usw. berücksichtigen können, benötigen wir langfristige Partner, denn das können wir alleine nicht leisten.“
Juha Räsänen, Business Director bei Savon Voima
Best Practice 4: Vorbereitung der Daten für eine vorausschauende Wartung
Die Nutzung von Daten für den Betrieb stellt schon jetzt eine große Herausforderung für Fernwärmeunternehmen dar. Und doch wird die Zukunftsvision, Daten für Predictive Maintenance zu verwenden, von Jahr zu Jahr realistischer.
Dies liegt vor allem daran, dass viele Fernwärmesysteme seit Jahrzehnten in Betrieb sind und die unterirdischen Rohrleitungen und kundenseitigen Anlagen in keinem guten Zustand mehr sind. Die Aufrüstung bestehender Fernwärmenetze ist zu zeitaufwändig und kann oft nicht vollständig finanziert werden.
Wartungsarbeiten sind zwar kostspielig und Fernwärmeunternehmen können nicht alles reparieren, wenn aber nichts unternommen wird, besteht die Gefahr von unvorhergesehenen Lecks und Ausfällen.
Anhand von Daten lassen sich Wartungs- und Reparaturvorhaben proaktiv unterstützen, denn Daten geben Aufschluss über den richtigen Ansatzpunkt für die Wartung und zeigen, wo das Fernwärmenetz am anfälligsten ist. Auf der Grundlage eines solchen Konzepts lassen sich dann weitere Sensoren zum Fernwärmenetz hinzufügen, um alle Daten auf einer Plattform für Predictive Maintenance zusammenzuführen.
Moderne Analysetools nutzen künstliche Intelligenz, um Einblicke in die kurz- und langfristige Wartungsplanung zu geben und Unternehmen dabei zu unterstützen, Ressourcen zu sparen, Ausfallzeiten zu reduzieren und Investitionseinsparungen zu erzielen, indem sie konkrete Vorschläge für den Austausch machen und unnötige Ersatzmaßnahmen eliminieren.
Öresundskraft – warum Daten genutzt werden sollten, um alte Infrastrukturen zu ersetzen
Öresundskraft ist ein kommunaler Energieversorger, der Kunden im schwedischen Helsingborg mit Fernwärme und -kälte beliefert. Eine der größten Herausforderungen für Öresundskraft sind Neuinvestitionen in die Modernisierung des Fernwärmesystems. Ein Austausch des gesamten Systems wäre mit sehr hohen Kosten verbunden und würde theoretisch 500 Jahre dauern.
Da die Rohre unterschiedlich gut erhalten sind, musste das Unternehmen zunächst in Erfahrung bringen, wo es mit der Modernisierung beginnen sollte. Um herauszufinden, welche Teile ausgetauscht werden müssen, installierte Öresundskraft zusätzliche Sensoren im gesamten System, um weitere Daten zu erfassen.
„Predictive Maintenance für die Fernwärmeinfrastruktur hat in der Branche nicht die Beachtung gefunden, die sie eigentlich verdient ... Bislang erfolgte die Wartung nur reaktiv, was auf Dauer nicht ausreicht. Die intelligente Nutzung von Daten und künstlicher Intelligenz ist notwendig, um zukunftsfähig zu sein und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.“
Johan Klinga, Head of District Heating bei Öresundskraft
Fazit
Da Fernwärmesysteme immer komplexer werden, können sich Unternehmen auf die neue Realität vorbereiten, indem sie:
ein besseres Verständnis ihrer bestehenden Systeme entwickeln, die stärker integriert und volatiler werden,
digitale Lösungen nutzen, um aus allen erfassten Daten Rückschlüsse zu ziehen und einen Mehrwert zu generieren,
eine Automatisierung oder sogar einen vollständigen „Autopilot-Modus“ anstreben,
Daten für Predictive Maintenance nutzen, um zu verstehen, wo mit der Wartung begonnen werden muss, und um das Fernwärmesystem in einem guten Zustand zu halten.
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