Zwei Möglichkeiten, um die Komplexität in modernen Fernwärmesystemen zu managen: Teil 1 

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In dieser zweiteiligen Reihe beleuchten wir vier Best Practices, mit denen führende nordische Fernwärmeunternehmen der zunehmenden Komplexität von Fernwärmesystemen begegnen. In diesem Artikel geht es um die ersten beiden Best Practices: Kosten- und Effizienzkontrolle sowie der Einsatz digitaler Lösungen, mit denen die Vorgänge im Fernwärmesystem genauer verstanden werden können. 

Fernwärmeunternehmen haben es heute mit einem Markt zu tun, in dem sich die Verfügbarkeit von Brennstoffen und deren Preise nicht vorhersehen lässt. Die Preise sind volatil, und die Energiewende hin zu umweltfreundlichen Erzeugern zum Zweck der Dekarbonisierung ist in vollem Gange. Viele Unternehmen bemühen sich daher, durch die Nutzung verschiedener Brennstoffe ihre Resilienz zu steigern und durch den Einsatz geografisch verteilter erneuerbarer Erzeuger ihre Produktion zu dekarbonisieren. 

Infolgedessen werden Fernwärmesysteme immer komplexer. Ursächlich für diese Komplexität sind u.a. folgende Faktoren: 

  • Um den Wärmeverlust zu verringern und erneuerbare Erzeuger zu integrieren, müssen Fernwärmesysteme bei niedrigeren Temperaturen betrieben werden, ohne dabei jedoch die Durchfluss- und Druckgrenzen zu überschreiten. 

  • Systeme, die Wärme mit verschiedenen, im Fernwärmesysteme verteilten Erzeugern generieren, sind schwieriger zu betreiben. 

  • Moderne Energiespeicherlösungen erhöhen zwar die Flexibilität der Fernwärmesysteme, steigern aber auch deren Komplexität. 

  • Die Systemintegration mit Industrie-, Elektrizitäts- und Kältenetzen führt zu weiteren wechselseitigen Abhängigkeiten. 

Gradyent.ai

Was können führende Fernwärmeunternehmen also tun, um trotz der unwägbaren Betriebsbedingungen die Steuerung zu behalten? 

In diesem und im nächsten Artikel stellen wir vier geeignete Maßnahmen vor, mit denen führende nordische Fernwärmeunternehmen die zunehmende Systemkomplexität bewältigen. 

Best Practice 1: Kostensteigerungen trotz erhöhter Systemkomplexität verhindern 

Durch die zunehmende Systemkomplexität sind Fernwärmeunternehmen zwangsläufig mit einer höheren Unsicherheit konfrontiert, ob das System wie vorhergesehen funktioniert und die Versorgungssicherheit auf bisherigem Niveau aufrechterhalten werden kann. Viele Unternehmen setzen vorsorglich auf Sicherheitsmargen. Dies bringt jedoch Probleme mit sich, z. B. eine in verschiedener Hinsicht zu hohen Kapazität: zu große Rohre, zu hohe Pumpleistung oder zu hohe Temperaturen im gesamten Fernwärmesystem. 

Wie können Unternehmen die Kosten managen und gleichzeitig mit der höheren Systemkomplexität umgehen? Drei mögliche Lösungsansätze sind: 

  • Erstellung eines realistischen und dynamischen Modells des gesamten Fernwärmesystems: Durch die Simulation eines längeren Zeitraums statt einer „Momentaufnahme“ einer Lastspitze oder Grundlast können sich Unternehmen eher ein Bild davon machen, wann und wie häufig ein bestimmtes Problem auftritt. 

  • Nutzung des historischen Systembetriebs zur Modellerstellung bei Erweiterungen: Statt sich auf das „theoretische“ historische Parametermodell aus der Zeit der Systemerstellung zu verlassen, sollten Unternehmen vorhandene Systemdaten von Sensoren, Erzeugern und intelligenten Zählern nutzen. 

  • Durchdachte Planung zukünftiger Steuerungssysteme: Oftmals sind die Lastspitzen für die Kosten und die Systemgröße maßgeblich. Zur Verringerung von Lastspitzen kommen z. B. spezielle Puffer und ein Frontloading des Systems (vorübergehende Erhöhung der Temperaturen) in Frage. Es lohnt sich, diese Ansätze bei der Planung zu berücksichtigen, da sie die Anforderungen an die Spitzenkapazität des Systems verringern. 

Best Practice 2: Das aktuelle System mithilfe digitaler Lösungen besser verstehen 

Angesichts der Vorschriften in Europa haben Unternehmen ihre Fernwärmesysteme mit Wärmezählern und anderen Sensoren ausgestattet oder sind dabei, dies sukzessive umzusetzen. Die so erfassten Daten gelten als wesentliche Voraussetzung für die Verwaltung komplexerer Fernwärmesysteme. 

Je mehr Daten aus der Erzeugung, dem Fernwärmenetz und den Unterstationen erfasst werden, desto eher lassen sich das System und seine Effizienz verbessern. 

Die Daten eines intelligenten Zählers können Aufschluss über das Verhalten der einzelnen Abnehmer geben. „Unsere Investitionen in intelligente Zähler zahlen sich aus. Wir können so gezielt bestimmte Kunden identifizieren und ansprechen, bei denen unnötig hohe Rücklauftemperaturen auftreten.

Astrid Birnbaum, Direktorin bei Høje Taastrup

Die Installation intelligenter Zähler zur kontinuierlichen Datenerfassung ist jedoch nur der erste Schritt. Damit Fernwärmeunternehmen aus den Daten betriebswirtschaftlichen Nutzen ziehen und die Kosten senken oder eine höhere Dekarbonisierung erreichen können, benötigen sie geeignete Tools, denn die enormen Datenmengen sind in zweierlei Hinsicht nicht unproblematisch: 

  • Daten werden oft an verschiedenen Orten gespeichert: in Abteilungen, auf Servern oder sogar auf Geräten, auf die nur ein Teil des Unternehmens zugreifen kann. 

  • Daten bringen nicht sofort den gewünschten Mehrwert. Deshalb ist ein höherer Automatisierungsgrad bei ihrer Analyse sehr wichtig, um Einblicke zu erhalten, die in die Entscheidungsfindung einfließen. 

Turku Energia – Daten zum besseren Verständnis des Fernwärmesystems 

In den letzten sechs Jahren hat Turku Energia seine Effizienz um 100 GWh erhöht und 2022 mit Wärmeverlusten von unter 7,5 % einen Rekord aufgestellt. Möglich war dies durch eine automatische Zählerablesung und eine Konsolidierung der Unternehmensabläufe, die für umfassende Transparenz und Kontrolle über das System sorgten. 

Fazit 

Eines ist sicher: Die Weiterentwicklung, der Betrieb sowie die Unterhaltung von Fernwärmesystemen wird immer schwieriger. Fernwärmeunternehmen können sich jedoch auf diese neue Situation einstellen, indem sie die Vorgänge in ihren Systemen trotz der höheren Komplexität genauer verstehen. Möglich ist dies mit digitalen Lösungen, die dabei helfen, aus den erfassten Daten einen Mehrwert zu ziehen. 

In Kürze folgt an dieser Stelle ein Artikel über zwei weitere Best Practices, die führende Fernwärmeunternehmen einsetzen, um die zunehmende Systemkomplexität zu bewältigen. 

Möchten Sie wissen, wie Branchenexperten für andere Gewissheiten planen, z. B. für die verstärkte Preisvolatilität auf dem Brennstoffmarkt oder die Sektorkopplung? 

Dann lesen Sie unseren Marktforschungsbericht mit praktischen Tipps und konkreten Fallbeispielen, die wir in Befragungen mit 17 nordischen Fernwärmeunternehmen für Sie gesammelt haben. 

Gradyent.ai
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